Zeit für den Almabtrieb – ein Höhepunkt des Tiroler Herbsts

Aktualisiert am 07.11.2018

Was für rund 200.000 Nutztiere das Ende ihrer Sommerfrische bedeutet, ist für die Menschen ein willkommener Anlass für ein buntes Fest.

Landschaftspflege durch Almbewirtschaftung
Tirol, wie wir es kennen, wäre ohne sie nicht möglich: Erst die Almbewirtschaftung machte und macht das Leben im Land im Gebirg‘ möglich. Früher war es vor allem die Nutzung von zusätzlichen 180.000 Hektar Weidefläche, die den Bauern die Versorgung der Bevölkerung ermöglichte. Heute kommt zusätzlich zur Produktion von wertvollen Lebensmitteln auch ein landschaftspflegerischer Aspekt: Ohne das Vieh, das die saftigen, kräuterreichen Almweiden abgrast, würden die Wiesen verwildern, zuwachsen oder verkarsten. Tirols abwechslungsreiche Landschaft wäre nicht mehr dieselbe.

Aufgebuscht herausgeputzt
Stein- und Blitzschlag, Krankheiten oder Schlechtwetter stellen auch in modernen Zeiten Gefahren dar, die Tiere das Leben kosten können. War der Almsommer verschont von Unglück, soll das auch das ganze Dorf und die ganze Welt sehen können. Deshalb werden schon in den Tagen vor dem Abtrieb Kränze und Gestecke geflochten aus Almrosen, Latschen, Geäst und Wiesenblumen, einige zusätzlich verziert mit Sinnsprüchen oder Heiligenbildern. Die Festglocken – manche bis zu 20 Kilo schwer – werden auf Hochglanz poliert, die Halsbänder – oft alte Familienerbstücke – geputzt und geschmiert. Früh morgens wird das Vieh dann „aufgekranzt“ oder „aufgebuscht“ – eine Aufgabe, die mehrere geschickte Hände braucht, spüren die Tiere doch die Spannung, die in der Luft liegt. Und dann kann es auch schon losgehen Richtung Tal. Manchmal liegen bis zu 25 Kilometer und einige hundert Höhenmeter vor dem Leittier, der Herde und den menschlichen Begleitern. Da braucht es viel Geduld, Nerven und Kraft, und natürlich Erfahrung, damit alle wohlbehalten ankommen im Heimatstall und –dorf.

Willkommensfeier mit „an guatn Enzian“
Unterwegs mit den übermütigen Tieren haben Bauern, Almerer und Helfer nur wenig Gelegenheit, an den eigenen Hunger und Durst zu denken. Umso größer die Erleichterung, wenn man endlich am Ziel ist. Jetzt ist Zeit für ein Stamperl Schnaps, ein köstliches Bauernbrot, ein Gespräch oder gar ein Tänzchen. Deshalb haben sich auch die Daheimgebliebenen ordentlich ins Zeug gelegt, damit es bei dieser Willkommensfeier auch an nichts fehlt. Da gibt es Kiachl und Nudeln, Käse und Speck, Knödel und Kuchen. Die Musik spielt auf, die Dorfjugend plattelt und tanzt Reigen, und die Marketenderin spendiert „an guatn Enzian, Zirbeler oder Vogelbeer“.
Und weil man Feste feiern soll, wie sie fallen, zeigen an den Almabtriebstagen mittlerweile auch Handwerker ihren geschickten Umgang mit Holz, Leder, Wolle oder Metall. Bäuerliche Produzenten der Region bieten ihre Köstlichkeiten an, und Kinder finden spielerische Unterhaltung.

40 Almabtriebe von September bis Oktober
Und auch im traditionellen Jahresfestkreis würde etwas fehlen. Die Rückkehr der Milchkühe, Kalbinnen, Schafe, Ziegen, Ochsen und Pferde aus den Bergen wird nämlich seit jeher begleitet von einer geselligen Zusammenkunft und bunten Feiern. Eine Zeit des Wiedersehens mit den Almerern – über 3.000 dieser Hirten und Senner haben den Sommer oben über der Waldgrenze verbracht – und eine Zeit der Dankbarkeit für die Wochen in den nahrhaften Weideregionen unter den Gipfeln.
Über 40 Almabtriebe finden in Tirol von Anfang September bis Mitte Oktober statt, eine Terminübersicht bietet die Website www.tirol.at.

Downloads