150 Jahre Gepatschhaus im Kaunertal
Aktualisiert am 02.08.2023
Das Gepatschhaus im hinteren Kaunertal feiert in diesem Jahr als wohl älteste von einer Alpenvereinssektion gebaute und bis heute bestehende Alpenvereinshütte ihr 150jähriges Bestehen. Eröffnet am 21. Juli 1873 stellt sie allein schon durch diese lange Existenz ein wahrhaftiges Zeugnis der Alpingeschichte sowohl mit ihren Glanzzeiten wie auch der weniger erfreulichen Perioden dar.
Die Sektion Frankfurt a.M. des Deutschen Alpenvereins nimmt diesen einzigartigen Umstand zum Anlass, das Jubiläum mit einer Feier am 12. August 2023 am Gepatschhaus zu würdigen. Eingeladen sind alle, die dieses Ereignis gerne mitfeiern wollen. Ebenfalls herzlichst willkommen sind auch die Vertreter der Medien. Mitglieder des Vorstandes stehen dann auch gerne für vertiefte Informationen zur Verfügung. Bereits ihr Kommen zugesagt haben zudem eine Reihe von Persönlichkeiten.
Die DAV-Sektion Frankfurt a.M. will mit dieser Feier auch ihre weiterhin bestehende besondere Verbundenheit mit dem Kaunertal zum Ausdruck bringen, in welchem sie eben seit der Eröffnung des Gepatschhauses alpinistisch tätig ist. Bereits ihr 1. Präsident Dr. Theodor Petersen (1869-1918), der als einer der Erschließer der Ötztaler Alpen (15 Erstbesteigungen) gilt, war geradezu begeistert vom Kaunertal und vor allem dem Kaunergrat, wo gleichfalls zahlreiche Erstbesteigungen (u.a. Hintere Ölgrubenspitze, Bliggspitze, Hintere und Mittlere Hintereisspitze, Schwarzwandspitze, Verpeilspitze, Rostizkogel, Schwabenkopf, Rofelewand Hauptgipfel) auf ihn zurückgehen.
Die Sektion hat im Kaunertal aber nicht nur das Gepatschhaus gebaut, sondern in den Folgejahren auch die Rauhekopfhütte (1888) und die Verpeilhütte (1906). Daneben hat sie bereits um die Wende zum 20 Jhdt. zahlreiche Steige und Wege anlegen lassen (z.B. Ölgrubenjoch, Riffeltal, Krumgampental, Weißseejoch, Glockturm, Rotschragenjoch durch das Kaiserbergtal)und damit zur Erschließung beigetragen. In einer Frühzeit des Fremdenverkehrs als es in den hochgelegenen Bergtälern noch kaum touristische Übernachtungsmöglichkeiten gab, hat sie mit ihren Hütten ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass sich im Tal ganz allmählich der Tourismus entwickelte. Das Gepatschhaus hat nicht nur viele auch berühmte Alpinisten angelockt, hier malten auch die berühmten Alpenmaler E.T. Compton oder Rudolf Reschreiter. Der bekannte Glaziologe Sebastian Finsterwalder nutzte das Gepatschhaus als Standquartier als er in den Jahren 1886/87 die erste wissenschaftlich fundierte Vermessung des Gepatschferners vornahm.
Die Sektion Frankfurt a.M. hat zudem nicht nur Hütten gebaut, sie hat sich auch schon sehr frühzeitig um das Bergführerwesen gekümmert. Theodor Petersen selbst sorgte sich um die Heranbildung von tüchtigen Bergführern und bemühte sich um die Entwicklung gerechter Tarife für die Bergführer. Bis 1945 übte die Sektion für den Alpenverein die Aufsicht über Bergführer des Kaunertales aus. Bei den alljährlichen Führertagen sorgte sie für eine medizinische Untersuchung der Bergführer sowie deren angemessene Ausrüstung. Gerade auch die Bergführer trugen nicht unwesentlich zur Entwicklung des Tales bei. Die Tätigkeit als Bergführer war in jener Zeit nämlich eine der ganz wenigen Möglichkeiten neben der eher kärglichen Landwirtschaft etwas Geld hinzuzuverdienen. Nicht wenige von ihnen gehörten dann auch zu den ersten die Fremdenzimmer anboten.
Darüber hinaus hat die Sektion sich im Tal auch immer wieder für wohltätige Zwecke engagiert. Viele Jahrzehnte gehörte es zur Tradition, dass die Sektion zu Weihnachten für die armen Kinder des Tales spendete. Spenden erhielten zudem auch immer wieder Vereine oder die Freiwillige Feuerwehr. All dies erklärt mit die besondere Bedeutung, die dieses Jubiläum für die Sektion Frankfurt a.M. aber auch für das Kaunertal hat.
Kurze Geschichte des Gepatschhauses
Nach der erfolgreichen Erstbesteigung der Hinteren Ölgrubenspitze (3248 m) am 28. Juli 1871 durch den Präsidenten der Sektion Frankfurt a.M. Dr. Theodor Petersen und Justus E. Haeberlin und einer etwas unruhigen Nacht über dem Schweinestall der Gepatschalpe, kam Petersen am nächsten Morgen die Idee, dass es zweckmäßig wäre, auf einem nahegelegenen Hügel inmitten eines kleinen Zirbenwäldchens ein Touristenhaus zu errichten.
Vom Sections-Ausschuss noch im Herbst 1871 grundsätzlich gebilligt und unterstützt durch örtliche Persönlichkeiten wie Kurat Franz Senn, konnte bereits 1872 durch das Entgegenkommen des k.k. Forstaerars der Bau fast vollendet werden. Errichtet durch den k.k. Forstmeister Josef Würtemberger wurde das Gepatschhaus am 21. Juli 1873 feierlich eingeweiht. Das einstöckige aus Stein gebaute Unterkunftshaus hatte eine Grundfläche von 91 m². Bereits im Eröffnungsjahr nächtigten 48 Touristen. Das Gepatschhaus war damit nicht nur die erste von einer AV-Sektion errichtete und bis heute bestehende Schutzhütte, ab Sommer 1875 wurde sie durch den Bergführer Alois Ennemoser auch als erste AV-Hütte bewirtschaftet. Ab 1878 übernahm der Bergführer Josef Alois Praxmarer für 42 Jahre die Pacht und trug ganz wesentlich zur weiteren Entwicklung des Gepatschhauses bei. So wurde auf sein Drängen hin das Gepatschhaus 1882 durch den Aufbau eines Stockwerkes erstmals erweitert. Darüber hinaus baute er auf seine Kosten das sog. »Waldhaus« und nahm zahlreiche Verbesserungen im Inneren des Hauses vor.
Nachdem das Frankfurter Sektionsmitglied Heinrich Stresow bereits im Jahre 1903 einige Kaunertaler Bergführer mit dem damals aufkommenden »Schneeschuhlaufen« vertraut gemacht hatte, wurde das Gepatschhaus ab 1910 auch im Winter zeitweilig bewirtschaftet, zumal sich das Gebiet um das Gepatschhaus damals schon zu einer beliebten Destination für die zusehends mehr werdenden Wintertouristen endwickelte. Mit der raschen Zunahme des Touristenverkehrs sowie erstmals mehr als 1.000 Nächtigungen im Jahre 1906 ergab sich die Notwendigkeit einer abermaligen Erweiterung des Gepatschhauses. Diese erfolgte 1911/12 durch den Baumeister Ernst Hagin nach den Plänen des Architekten Alfred Engelhard. Mit dem am 21. Juli 1913 eingeweihten dreistöckigen Querbau verfügte das Gepatschhaus nunmehr über fast 100 Schlafmöglichkeiten einschließlich des prächtigen, mit Zirbenholz getäfelten, bis heute erhaltenen Gastraumes.
In der erweiterten militärischen Sperrzone liegend war das Gepatschhaus während des Ersten Weltkrieges geschlossen. Erst 1920 konnte es durch den neuen Hüttenwirt Karl Mark wieder eröffnet werden. Seit 1927 verfügt das Gepatschhaus über eine elektrische Beleuchtung. Nach einem ersten Besucherboom Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre, litt das Gepatschhaus wie der gesamte Fremdenverkehr in Tirol danach stark unter der von nationalsozialistischen Deutsch Reich verhängten sog. »1000 Mark Grenzsperre«, die den Besuch deutscher Touristen faktisch unterband. Etwas Abhilfe brachte die 1932 eröffnete Postautolinie zum Gepatschhaus, die in dieser Zeit vor allem Touristen zum nahe gelegenen Gepatschferner brachte, dem zweitgrößten Gletscher der Ostalpen. Nachdem ab 1936 wieder deutsche Touristen kommen konnten, erlebte das Gepatschhaus bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges einen Rekordbesuch. So zählte man allein 1938 mehr als 6.000 Besucher.
Auch in der Zwischenkriegszeit verzeichnete das Gepatschhaus einen regen Wintertourismus. Zumeist über Ostern zählte man in einigen Jahren mehr als 1.000 Nächtigungen. Von 1937 bis 1939 veranstaltete der Feichtner Skilehrer Gottfried Gfall dort regelmäßig zumeist sehr gut besuchte Skikurse für Anfänger sowie Ski-Hochtourenkurse für die geübten Wintersportler.
Auch während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gepatschhaus bis 1944 durchgängig bewirtschaftet, bisweilen sogar mit beachtlichen Besucher- und Nächtigungszahlen. Erst gegen Kriegsende, als die Verkehsverbindungen kriegsbedingt immer schwieriger wurden, ließ der Besuch spürbar nach. Zugleich wurde es für den Hüttenpächter immer schwieriger die für die Verpflegung notwendigen Lebensmittel zu bekommen.
Erneut sehr schwierige Zeiten erlebte das Gepatschhaus in den ersten Nachkriegsjahren als sich das Gepatschhaus in der Treuhänderschaft von Prof. Martin Busch befand. Ein Mangel an Baumaterialien ebenso wie Lebensmittelrationierungen sowie fehlende finanzielle Mittel machten es sehr schwierig, das Gepatschhaus während dieser Zeit über Wasser zu halten. Hinzu kam, dass aufgrund der erneuten Einreiserestriktionen für deutsche Touristen bis 1951 der Besuch des Gepatschhauses eher spärlich war.
Dies änderte sich allerdings ab 1952 als deutsche Touristen die österreichischen Alpen erneut als eines ihrer beliebtesten Urlaubsziele wieder entdeckten. Die Sektion Frankfurt a.M. musste allerdings bis 1956 warten, ehe sie in der Folge der Unterzeichnung des Staatsvertrages ihre Hütten wieder zurückbekam. Bedingt durch verschiedenste Umstände in den 30er Jahren (Devisenbewirtschaftung) sowie durch die Einschränkungen während des Krieges und der ersten Nachkriegsjahre war die Sektion zunächst konfrontiert mit einem erheblichen Nachholbedarf an Erhaltungs- und Erneuerungsinvestitionen. In diese Zeit fällt auch die letzte wesentliche bauliche Erweiterung, als in den Jahren 1958/59 der Altbau um ein weiteres Stockwerk aufgestockt wurde.
Nach dem Tod von Hüttenwirt Karl Mark wurde das Gepatschhaus ab 1956 durch dessen Tochter Maria Raich und ihrem Ehemann Pepi Raich bewirtschaftet. Maria Raich, die schon als Heranwachsende in den 30er und 40er Jahren auf dem Gepatschhaus eine wichtige Rolle einnahm, kann zweifellos zu den geradezu »legendären« Hüttenwirtinnen gezählt werden, zu der viele Stammgäste gerade auch unter den Frankfurter Sektionsmitgliedern vielfach enge freundschaftliche Beziehungen unterhielten und über die man sich unter Älteren noch bis heute die eine oder andere Geschichte erzählt.
In den 60er Jahren schließlich war auch das Gepatschhaus vom Bau des Gepatschspeichers tangiert, zumal während er Bauphase die Erreichbarkeit mitunter doch beeinträchtigt war. Nach dessen Fertigstellung erlebte es zwar einen Besucherzustrom, allerdings waren dies vorwiegend Tagesausflügler und weniger wirkliche Bergsteiger. Auch der Bau der Gletscher-Panoramastraße und die Eröffnung des Gletscherskigebietes trugen dazu bei, dass das Gepatschhaus durch die nunmehr gegebene Erreichbarkeit mit dem Auto ihren Charakter als alpine Alpenvereinshütte etwas einbüßte.
Ebenfalls nicht unberührt blieb das Gepatschhaus von den gesellschaftlichen Veränderungen mit ihren entsprechenden Auswirkungen auf den Fremdenverkehr. Waren noch bis in die 70er Jahre längere Urlaubsaufenthalte der Gäste weit verbreitet und eine große Zahl an Stammgästen eher die Regel, haben sich inzwischen die Gewohnheiten doch stark verändert. Davon betroffen ist auch die Sektion Frankfurt a.M. wo es in früheren Jahren für viele Mitglieder geradezu als eine »Selbstverständlichkeit« angesehen wurde, den Urlaub im Sektionsgebiet zu verbringen. Insbesondere unter den jüngeren Mitgliedern sind die Bindungen an das Sektionsgebiet schwächer geworden und dominieren wie anderswo und selbst in Tirol auch neue Trendsportarten und werden Klettersporthallen dem Aufenthalt im natürlichen Fels und Eis vorgezogen.
Diese Veränderungen, aber auch die seit Ende des letzten Jahrhunderts sukzessive strenger gewordenen und vielfach auch durchaus berechtigten behördlichen Auflagen hinsichtlich Trinkwasserversorgung, Müllentsorgung und Abwasserreinigung, aber auch des Brandschutzes und des Arbeitsschutzes stellen heute viele AV-Sektionen vor große auch finanzielle Herausforderungen in Bezug auf den Erhalt und Unterhalt ihrer Hütten, auch wenn ökologische Aspekte und das Hinarbeiten auf Klimaneutralität für den Alpenverein einen ganz hohen Stellenwert haben.
Eine Besonderheit des Gepatschhauses bildet zudem die 1895 eingeweihte Kapelle »Maria im Schnee«, die seinerzeit dazu diente, den Bergführern den Besuch einer sonntäglichen Messe zu ermöglichen. Nicht zuletzt das dadurch entstandene einzigartige Ensemble veranlasste das Bundesdenkmalamt das Gepatschhaus und die Gepatschkapelle 2012 unter Denkmalschutz zu stellen.
Ungeachtet aller Herausforderungen arbeitet die Sektion derzeit mit Nachdruck an den Planungen für eine Generalsanierung des Gepatschhauses, um das Gepatschhaus über das 150jährige Bestehen hinaus fit zu machen und es an inzwischen normal gewordene Ansprüche von Gästen anzupassen. Dies ist umso notwendiger als das Interesse am Gepatschhaus weiterhin in hohem Maße vorhanden ist, wie die Nachfrage nach Abhaltung unterschiedlichster Kurse belegt. Aber auch bei den touristischen Angeboten im Tal bildet das Gepatschhaus nach wie vor ein wichtiges Element. Dies dürfte sich zudem noch erhöhen durch das von der Tiroler Umweltanwaltschaft forcierte Projekt der Sternenbeobachtung in unmittelbarer Nähe des Gepatschhauses.
Kontakt:
Daniel Sterner
Vorsitzender der DAV-Sektion Frankfurt a.M.
daniel.sterner@dav-frankfurtmain.de
Vor Ort im Kaunertal (insbesondere für historische Fragen)
Martin Frey
Ortschronist der Gemeinde Kaunertal
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Tel. 05475 223
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