Die Passionsspiele Erl als Glaubensgeschichte
Aktualisiert am 10.04.2025
Wenn andernorts Ostern mit gefärbten Eiern und Schokoladenhasen gefeiert wird, wird in Erl die ursprüngliche Bedeutung dieses Festes auf ganz besondere Weise lebendig: Die Passionsspiele, deren Wurzeln über 400 Jahre zurückreichen, erzählen von der letzten Woche im Leben Jesu – von seinem Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Was für viele Christ:innen die zentrale Glaubensbotschaft ist, wird hier zu einem bewegenden Bühnenerlebnis, das alle sechs Jahre eine ganze Dorfgemeinschaft in den Bann zieht.

2025 steht in Erl erneut ein großes Passionsjahr bevor. Und schon jetzt wird mit vollem Einsatz geprobt – nicht nur im Kunstraum unter dem Dach des Passionsspielhauses, sondern auch auf der Bühne selbst. Wenn sich dort über 600 Menschen in Szene setzen, Kinder neben Großeltern stehen, Berufstätige, Schüler:innen und Pensionist:innen gemeinsam einen Bibeltext mit Leben füllen, dann wird spürbar: Hier ist der Glaube keine Theorie, sondern gelebte Gemeinschaft.
Nähe schaffen, Glauben spüren
Verantwortlich für die neue Inszenierung ist der Tiroler Regisseur und Volksschauspieler Martin Leutgeb. Mit seiner tiefgründigen, aber zugänglichen Herangehensweise geht er über das rein Historische hinaus. Für ihn steht nicht die christliche Lehre im Mittelpunkt, sondern das emotionale Erleben. Seine Inszenierung stellt Fragen – und erlaubt auch Zweifel: „Ist er es – oder ist er es nicht?“ Muss man an die wörtliche Auferstehung glauben – oder reicht es, an das Gute zu glauben, das daraus erwächst?
Leutgeb arbeitet eng mit seinen Laiendarsteller:innen zusammen. Er fordert sie, gibt ihnen aber auch Raum zur Entwicklung. Denn jede Figur ist einzigartig – und jede Emotion aufrichtig. Nicht zuletzt deshalb wirkt diese Passion so nahbar. Im Interview spricht Martin Leutgeb über seine persönlichen Ostertraditionen, die Besonderheiten der Erler Passion, die zentrale Rolle des Kindes in seiner Erzählweise – und über die Frage, warum es so wichtig ist, an etwas glauben zu können.
„Man muss nicht alles sehen“
Ein Gespräch mit Martin Leutgeb über seine Regie bei den Passionsspielen Erl 2025

Martin Leutgeb ist Schauspieler, Regisseur und ein Mensch, der sich gerne tief in Themen hineindenkt. Für die Neuinszenierung der Passionsspiele Erl 2025 hat er einen klaren Zugang gefunden: Es geht ihm nicht nur um religiöse Lehre, sondern um das emotionale Erleben, das die Geschichte von Jesus Christus auch heute noch möglich macht. Im Interview spricht er über die Kraft der Hoffnung, sein Verhältnis zur Kirche – und die Rolle des Kindes in seiner Inszenierung.
Martin, du inszenierst derzeit die Passionsspiele in Erl. Wie nähert man sich so einer Aufgabe?
Ich bin da sehr intuitiv rangegangen. Natürlich habe ich viel gelesen – unterschiedliche Passionen, vor allem aber das Johannesevangelium. Es hat etwas sehr Theatralisches und gleichzeitig sehr Persönliches. Ich versuche, die Konflikte sichtbar zu machen – denn davon lebt Theater. Die Bibel ist voll davon: Zweifel, Angst, Wut, Hoffnung. Wenn Jesus im Tempel wütend wird oder am Ölberg nicht mehr weiß, ob er diesen Weg wirklich gehen soll – das sind zutiefst menschliche Momente. Und genau das interessiert mich.
Was kann Theater dabei leisten?
Es kann Emotionen spürbar machen. Unsere Darsteller sind Laien, aber sie wachsen da rein. Ich gebe ihnen Bilder mit, lasse sie die Szene ins Heute übertragen. Und manchmal sind sie selbst überrascht, wie viel sie fühlen können, wenn sie sich wirklich öffnen. Es geht nicht darum, Bibelzitate aufsagen zu lassen – sondern darum, das Menschliche zu zeigen. Auch Jesus war Mensch. Und das macht ihn greifbar.
In deiner Inszenierung nimmst du das Publikum mit auf die Reise durch die Karwoche – vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Was erwartet uns konkret auf der Bühne?
Alle zentralen Stationen sind da: Einzug, Abendmahl, Ölberg, Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung. Aber wir beginnen weiter vorne – bei der Geburt. Wir zeigen Maria, die bereits ahnt, was auf ihr Kind zukommen könnte. Und wir erzählen diese Flucht – nennen sie auch so. Das ist kein Zufall. Jesus kommt auf einem Esel zur Welt und zieht später auf einem Esel in Jerusalem ein, um sein Werk zu vollenden. Das ist für mich ein starkes Bild.
Und wie inszenierst du den Höhepunkt – die Auferstehung?
Es ist kein großes Spektakel, sondern ein stiller, symbolischer Moment. Ein Kind öffnet das Grab. Jesus begegnet sich selbst – als Zwölfjähriger, als der, der er einmal war. Diese Begegnung ist für mich die Kraftquelle. Das Kind gibt ihm die Stärke, seinen Weg zu gehen. Und Maria Magdalena ist die erste, die erkennt, dass er lebt – das ist eine der schönsten Botschaften der Bibel. Sie ist damit eigentlich die erste Apostelin.
Glaubst du persönlich an die Auferstehung?
Ich glaube an das, was dieser Moment symbolisiert: Hoffnung. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist – dieser Satz ist für mich zentral. Ob Jesus physisch auferstanden ist oder nicht, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass die Geschichte weitergetragen wurde, dass Menschen daran geglaubt haben. Und dass sie diesen Glauben bis heute weitergeben.
Ostern ist mehr als Schokolade und Feiertag. Was bedeutet es für dich persönlich?
Ich bin katholisch aufgewachsen, auch wenn ich mittlerweile aus der Kirche ausgetreten bin. Aber Ostern hat für mich bis heute Bedeutung. Ich gehe gerne zur Osternacht. Diese Symbole – das geweihte Wasser, die Osterkerze, das Licht in der dunklen Kirche – das ist Theater im besten Sinn. Und es ist ein Versprechen: dass der Tod nicht das Ende ist. Dass es weitergeht.
Wird dieser Gedanke in deiner Inszenierung auch gesellschaftlich greifbar?
Ich versuche es zumindest. Es gibt eine Szene, da sagt ein Kind zu seiner Mutter: „Aber die Leute da im Tempel, sie beten alle unterschiedlich.“ Und sie antwortet: „Aber sie beten alle zu dem einen Gott.“ Diese Idee – dass wir alle verschieden glauben dürfen, aber letztlich doch verbunden sind – das finde ich wichtig. Und ich glaube, gerade heute braucht die Welt Hoffnung. Es ist schön, wenn man jemanden hat, dem man danken kann, wenn es einem gut geht.
Ist das auch deine Botschaft an die Zuschauer:innen?
Ich wünsche mir, dass das Stück nachwirkt. Dass die Menschen sich austauschen. Vielleicht sogar streiten. Das wäre das Beste, was passieren kann. Dass man über den Glauben spricht – und darüber, was es heute bedeutet, Mensch zu sein.
Was bedeutet das für dich – Mensch zu sein?
André Heller hat einmal gesagt: „Die Bezeichnung Mensch ist ein Begriff, den man sich verdienen muss.“ Es gibt viele Leute, aber Menschsein heißt für mich, sich an das zu erinnern, was uns menschlich macht: Mitgefühl, Liebe, Verantwortung. Wenn ich das mit meiner Arbeit ein bisschen anstoßen kann, dann hat sich alles gelohnt.
Was wünschst du dir für die restliche Probenzeit?
Eine gute, kraftvolle Zeit mit dem Ensemble. Dass wir gemeinsam noch weiter wachsen. Und dass sich am Ende das zeigt, was wir von Anfang an gespürt haben: Dass diese Geschichte auch heute noch Kraft hat.
Begleiter der Passionsspiele: Leo, der Esel
In der Neuinszenierung der Passionsspiele Erl 2025 spielt der Esel eine besondere Rolle – gleich zweimal ist er zentraler Bestandteil der Erzählung. Sowohl bei der Flucht nach Ägypten als auch beim Einzug in Jerusalem trägt er Jesus – und steht damit für den Anfang und das Ende des irdischen Weges Jesu. Regisseur Martin Leutgeb setzt ganz bewusst auf die Kraft dieses Symbols: „Beide entscheidenden Wege Jesu beginnen auf einem Esel. Das ist ein starkes Bild, das Entschlossenheit symbolisiert.“
Der tierische Darsteller ist dabei kein Unbekannter. Leo, so der Name des Esels, ist mittlerweile ein echter Bühnenprofi: Zum dritten Mal steht er bei den Passionsspielen in Erl im Rampenlicht. Vor 14 Jahren wurde er aus dem Burgenland nach Tirol geholt – seither gehört er fest zur Familie der Passionsspiele. Zwischen den Spieljahren wird er von Reinhard Schwaiger liebevoll betreut und durchgefüttert. Dessen Frau Silvia übt mit Leo regelmäßig den Auftritt über die Eselrampe im Passionsspielhaus.
Auch ein erfahrener Esel braucht Probenzeit. „Leo muss seine Auftritte mehrmals üben – momentan will er noch nicht so recht“, erzählt Leutgeb mit einem Augenzwinkern. Schließlich soll sichergestellt sein, dass er die junge, schwangere Maria und später auch Jesus sicher tragen kann. Leo ist mehr als nur ein tierischer Nebendarsteller – er wird zum wiederkehrenden Symbol der Erler Passion 2025. Ein Symbol für den Anfang, das Ende – und die Hoffnung dazwischen.
Tickets sichern & dabei sein: Die Passionsspiele Erl 2025 finden von Mai bis Oktober statt – Vorstellungen jeweils an den Wochenenden. Jetzt Tickets buchen unter: www.passionsspiele.at