Innsbruck und seine Architektur

Aktualisiert am 12.10.2020

 

Vielfalt und Internationalität: Innsbruck und seine Architektur

 

Hadid, Perrault, Köberl, Welzenbacher, Snøhetta, UN Studio – Innsbruck bietet große Namen und diese wiederum hinterließen ebendort beeindruckende Architektur. Der Experte konstatiert der „Hauptstadt der Alpen“ eine besondere Vielfältigkeit hinsichtlich ihrer Gebäude, deren Schöpfer und Stile sowie ihrem Verständnis von Form und Funktionalität. Dem Gast eröffnet sich das moderne Innsbruck fußläufig und niederschwellig, stets spannend im Austausch mit Historie und Tradition. Gleich vorneweg: Der geneigte Gast besucht die architektonischen Sehenswürdigkeiten der Stadt bestenfalls Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr.

Station Löwenhaus der Hungerburgbahn von Architektin Zaha Hadid © Innsbruck Tourismus, Christof Lackner

Welcher Raum, welches Gebäude könnte sich besser als Ausgangspunkt einer Stadterkundung eignen als das örtliche Tourismusbüro?! Üblicherweise ist eine solche Lokalität Erstanlaufstelle und Info-Hub für Neuankömmlinge in einer Stadt. In Innsbruck legt man hier aber noch eins drauf, denn die Informationshalle von Innsbruck Tourismus – mit jährlich 500.000 Besuchern die meistbesuchte Tourismus Information Tirols – hat Geschichte und gleichzeitig aktuelle architektonische Relevanz: Die dreischiffige Halle mit prächtigem Renaissance-Gewölbe diente im 16. Jahrhundert als Hofstallung der Pferde der Hofburg, später als Militärdirektion, Offizierskaserne und Militärkanzlei. Im Zuge des Umbaus 2018 wurde eine reizvolle Mischung aus zeitgenössischer Architektur und hochmoderner Informationstechnologien geschaffen: Die Architekten Betina Hanel und Manfred Sandner legten dabei großen Wert auf eine Belebung des ursprünglichen Erscheinungsbildes wie auch der Proportionen durch neueste digitale Technologie.

Wenige Schritte entfernt von dem am Burggraben 3 gelegenen Architekturjuwel tut sich ein weiteres Highlight auf. An der Talstation der Hungerburgbahn erkennen bisweilen selbst Laien sofort, wer Schöpferin der aufsehenerregenden Wartehallen dieses ersten Teilstücks der Nordkettenbahn war: Die international renommierte Architektin Zaha Hadid setzte damit – ebenso wie mit dem Bau der Bergisel Schanze – in Tirols Kapitale unwidersprochene Akzente.  Letztgenannte Sportstätte avancierte schließlich gar zur „Landmark“, sprich zum weithin sichtbaren Wahrzeichen der alpin-urbanen Stadt. Sehenswert ist auch die „hadidsche Innbrücke“ der Hungerburgbahn, einen Spaziergang von deren Talstation entfernt.

Zurück ins Zentrum: Weniger auffällig, aber „zeitgeschichtlich“ bedeutsam für Architektur-Affine ist die sogenannte „SOWI“, also das Gebäude der Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Innsbrucker Universität. Markant an diesem Bau von Henke und Schreieck Architekten ist zuallererst schon einmal die Tatsache, dass dieses Objekt Experten zufolge Ende der 1990er-Jahre „der erste architektonisch relevante Neubau im Zentrum der Landeshauptstadt“ war. Darüber hinaus ist sein Zweck ein der Allgemeinheit nützlicher, werden doch in seinen Hörsälen und Bibliotheken die Wirtschaftskapitäne und Volkswirtinnen der Zukunft ausgebildet und gleichzeitig quasi am lebenden Objekt mit anspruchsvoller Architektur vertraut gemacht. Weiter stadtwärts wird es künstlerisch. Die Buchhandlung Haymon (ehemals „Bücher Wiederin“) am Sparkassenplatz, erbaut von Rainer Köberl, setzt Akzente in ihrer Schlichtheit, Klarheit, ihrer minimalistischen Form. Genaugenommen sind dies „Akzente mit Fortsetzung“ – wurden doch gleich mehrere Innenstadt-Lokale bzw. Geschäfte von diesem heimischen Architekten geplant, allesamt mit Wiederkennungswert.

Die Highlights: Kaufhaus Tyrol und Rathaus Galerien

Shopping in architektonisch hochinteressantem Ambiente – in Innsbruck (nahezu) eine Selbstverständlichkeit: Internationale Stararchitekten wurden engagiert, um die beiden Kaufhäuser direkt an der Maria-Theresien-Straße zur entwerfen und sie taten dies mit Verve und Bravour: Dominique Perrault zeichnete (im wahrsten Sinn des Wortes) für eine aufregende Integration modernen Bauens in den historischen Bestand verantwortlich, als es galt, das Innsbrucker Rathaus zu ergänzen, zu erweitern und schlussendlich zu bereichern. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Innsbruck im 7. Stockwerk des Neubaus eine wirklich einmalige Aussichtsplattform mit sprichwörtlichem 360-Grad-Panorama bekam, sind die Rathaus Galerien jedenfalls einen Besuch wert. Gleich vis-a-vis setzte Star-Architekt David Chipperfield mit dem Neubau des altehrwürdigen Kaufhaus Tyrol einen dezidiert zurückhaltenden Baukörper in das heterogene, über mehrere Jahrhunderte gewachsene Straßenensemble von Innsbrucks Prachtstraße: Hell und großzügig wirkt das Atrium des „KHT“ auf seine Besucherinnen und Besucher. Geradezu ein Genuss ist tagsüber der wechselnde Lichteinfall in den Innenraum dieser modernen Mall, den das imposante Glasdach mit seiner Wabenstruktur zulässt. Für beide Shopping-Tempel gilt: Am besten wochentags hingehen zu den üblichen Öffnungszeiten der Geschäfte.

Geheimtipps, Kleinode und große Namen

Ein kurzer Spaziergang durch das Zentrum genügt, um weitere architektonische „Schmankerl“ verschiedener Baustile und Epochen quasi im Vorbeigehen „mitzunehmen“: So befindet sich unmittelbar im Zentrum das BTV Stadtforum (Tesar & Obermoser), dessen Foyer – nicht nur wegen der im Rückraum konstant laufenden Fotoausstellungen – jedenfalls einen Besuch wert ist. Gleich ums Eck ist der Eduard-Wallnöfer-Platz/Landhausplatz nach seiner Neugestaltung durch die ARGE Laac Architekten/Stiefel Kramer/Grüner nicht nur DER Treffpunkt für Skateboarder und deren Fans, sondern vor allem architektonisch eine Besonderheit.

Heimisches und Internationales

Was selbst in Innsbruck nur Wenige wissen: Gegenüber befindet sich (versteckt hinter dem Landhaus II) ein Bau des weltweit renommierten Architekturbüros UN Studio. Das „Umspannwerk Mitte“ ist – bereits von außen betrachtet – eine kleine Sehenswürdigkeit und somit jeden Umweg wert. Und wenn man schon in der Gegend ist, dann lohnt sich ein kleiner Blick in die Vergangenheit: In unmittelbarer Nähe erblickt man schließlich eine der wenigen Jugendstilbauten Tirols, nämlich das „Städtische Dampfbad Salurner Straße“. Erbaut 1926/27 nach den Plänen des heimischen Architekten Friedrich Konzert, ist das Dampfbad ein gediegener Vertreter seiner Epoche und drinnen wie draußen besonders sehenswert. Sehenswert und jedenfalls erwähnenswert sind auch die Bauten der norwegischen Designgurus von Snøhetta, welche die Errichtung gleich mehrerer Objekte rund um die „Hauptstadt der Alpen“ verantwortet haben. Deren Perspektivenweg stellt neben den denkmalgeschützten Gondelbahn-Stationen Hungerburg, Seegrube und Hafelekar des Innsbrucker Architekten Franz Baumann ein weiteres weltweit bekanntes Architekturhighlight auf der Nordkette dar. Darüber hinaus war Snøhetta maßgeblich beteiligt an der Gestaltung der Swarovski Kristallwelten in Wattens und zuletzt verantwortlich für die Planung des jüngst fertiggestellten neuen Headquarters von ASI Reisen nahe Natters, einer Ortschaft der Region Innsbruck, gleich oberhalb der Stadt.

Genauer geschaut: bilding und aut

Wer mehr wissen möchte und wem die Hintergründe ein Anliegen sind, dem ist anzuraten: „Begeben Sie sich ins ‚aut‘!“ Nur ein wenig abseits, aber dafür mitten im städtebaulichen Geschehen befindet sich diese Institution, das Architekturzentrum aut.architektur und tirol. Verortet im ehemaligen Adambräu-Sudhaus, einem Werk des heimischen Paradevertreters der klassischen Moderne Lois Welzenbacher (1889-1955), hat es Architektur-Affinen vieles zu bieten: Die Räume sind per se schon eine Attraktion und bieten Platz für Ausstellungen und Vorträge. In den oberen Etagen ist das Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck angesiedelt. Dieses widmet sich der Speicherung, Erforschung und Bewahrung der Architektur und des Ingenieurbaus in der Alpenregion. Online ist das „aut“ aufzufinden unter www.aut.cc. Vor allem für jene, die die Stadt und deren Architektur ihrem Nachwuchs näherbringen möchten, gibt es noch einen ganz besonderen „place to go“: Das sogenannte bilding ist per Eigendefinition „ein Ort der Kreativität für Kinder und Jugendliche und ein Freiraum, der Architektur, Kunst, Bildung und im-Prozess-Sein miteinander verbindet.“ Entworfen und gebaut „von jungen Menschen für junge Menschen“, bietet der im Stadtpark Rapoldi gelegene Pavillon gleichermaßen niederschwelligen wie kindgerechten Zugang zur Welt der Architektur. Dies geschieht in verschiedensten Formaten von der Werkstatt bis hin zum Seminar. Interessierte informieren sich über Programm und Buchung auf www.bilding.at.

Apropos Information: Um sich einen Überblick bezüglich Innsbrucks architektonischer Highlights zu verschaffen, alle wichtigen Institutionen zu entdecken und aktuelle Ausstellungstermine in Erfahrung zu bringen, begeben sich architekturinteressierte Stadtentdecker auf die Website; perfekte erste Eindrücke hinsichtlich der Paradebeispiele unter den Gebäuden Innsbruck vermittelt wiederum der Film.

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